Vortrag "Was kann, soll und darf Mundartdichtung?"
Vortrag von Prof. Dr. Norbert Richard Wolf
Dialekt, wissenschaftlich betrachtet
Gelungener Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Richard Wolf bei der Simon-Höchheimer-Gesellschaft Veitshöchheim am 29.04.09
Wieder einmal gesellten sich zahlreiche Mitglieder und Gäste in den Sitzungssaal der Gemeinde Veitshöchheim zu einem ganz besonderen Vortrag. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Richard Wolf, emeritierter Professor der Universität Würzburg und Projektleiter des „Unterfränkischen Dialekt Instituts“, unterhielt die aufmerksamen Zuhörer mit der Frage „Was kann, soll und darf Mundartdichtung?“
Als gebürtiger Salzburger wollte der Referent die 60 Zuhörer nicht mit seiner Interpretation fränkischer Gedichte, nach eigenem Bekunden „malträtieren“ und deshalb trug seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dr. Monika Fritz-Scheuplein, als original fränkisch sprechende Rhönerin, die entsprechenden Werke vor.
Als Einstieg in das Thema analysierte Wolf einige Zeilen aus einem Gedicht des früheren Kirchlauterer Bürgermeisters Peter Kirchner, in denen dieser die Schönheit seiner Heimat rühmt und dabei finden sich so urfränkische Wörter wie „Augnweid, a hamisch Gfühl oder Haimätstolz“. Allein diese Beispiele zeigen, so Wolf, dass es sich hierbei vielfach nicht um Dialekt, sondern um hochsprachlich gedachten, jedoch mühsam in mundartlicher Form gefassten Kitsch handelt.
Dies wäre nicht weiter beachtlich, erwüchse nicht aus dieser Art Dichtung ein politisches Problem: Der Dialekt - in Form der schriftlich fixierten Mundartdichtung - kann aber auch durchaus gefährlich sein, denn er vermittelt Nähe, Heimat und Vertrautheit. Gerade politische Botschaften lassen sich so „verpackt“ wirkungsvoll verbreiten. Selten handelt es sich dann jedoch um wirkliche Mundart, sondern um Kunstsprache als Mundart getarnt.
Kritisch beäugte Wolf in diesem Zusammenhang die Rezeption des fränkischen Heimatdichters Nikolaus Fey, nach dem auch in Veitshöchheim eine Straße benannt ist. Diesen empfindet er nicht als Vorbild, nutzte er doch während des Nationalsozialismus, entgegen landläufiger Meinung, durchaus seine Mundartdichtung zu unverhohlener “Blut- und Boden“- Propaganda. Zwar habe Fey durchaus ein beachtenswertes Werk hinterlassen und viele Menschen begeistert – doch tauge er nach Ansicht Wolfs, ohne ihn billig verurteilen zu wollen, nicht als Namensträger von Schulen oder Straßen.
Als bedenkenswertes Resümee gab Wolf ein Zitat den Zuhörern folgendes auf den Weg: „Dialektdichtung als verfremdete hochsprachliche Dichtung (kann) geradezu gefährlich werden…. In gewissem Sinn halte ich jede volkstümliche Dichtung für gefährlich. Schon Bert Brecht hat das gewusst:
Da das Instrument verstimmt ist
Sind die alten Notenbücher wertlos
Und so braucht ihr einige neue Griffe
(…)
Wenn wir vor den Unteren bestehen wollen
Dürfen wir nicht volkstümlich schreiben
Das Volk
Ist nicht tümlich.“
Im Anschluss an die Diskussion überreichte der Vorsitzende der Simon-Höchheimer-Gesellschaft, Rudolf Gabler, dem Referenten noch Veitshöchheimer Sonnenschein, eingefangen im Bocksbeutel zum Dank für interessante Einblicke in das faszinierende Reich des Dialekts.
Die 1995 gegründete Simon-Höchheimer-Gesellschaft ist ein Kulturverein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass kulturelle Angebot der Gemeinde Veitshöchheim zu bereichern, das jüdische Museum zu fördern und einen Beitrag zum Verständnis jüdischer Kultur und Religion zu leisten. Seitdem haben eine Fülle von Veranstaltungen die Simon-Höchheimer-Gesellschaft zu einem festen Bestandteil des kulturellen Lebens in Veitshöchheim und der gesamten Würzburger Region werden lassen.