Vortrag "Hat Strafe einen Sinn?"

Datum: 
Donnerstag, 18. März 2010 - 0:00

Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf zieht vollbesetzten Sitzungssaal bei der Simon Höchheimer Gesellschaft in seinen Bann

Kein einziger Stuhl war im Sitzungssaal der Gemeinde Veitshöchheim mehr verfügbar, der Raum brechend voll. Auf Einladung der Simon-Höchheimer-Gesellschaft Veitshöchheim traf Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, u.a. Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtstheorie an der Universität Würzburg, den Nerv der Zuhörer.
Keine geringere als die rechts- und gesellschaftsphilosophische Frage nach dem Sinn und Zweck, aber auch dem Unsinn von Strafe sorgte nach dem unterhaltssamen und informativen Vortrag für Diskussionsstoff. Hilgendorf bezog Stellung zu den Vorwürfen von sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen. Seiner Ansicht nach herrscht momentan eine Hexenjagd mit enormer Vorverurteilung und daraus kaum abschätzbaren Konsequenzen. In vielen Fällen, die jetzt als Missbrauch gemeldet werden, ist gar nicht klar, ob es sich tatsächlich um Mißbrauch im Rechtssinne handele. Dennoch kritisierte er den Umgang der katholischen Kirche mit den Vorfällen, insbesondere der offenkundig schlechten Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, die sich der Fälle annehmen sollten.
Sodann wurden einige grundlegenden kriminologischen Begriffe und Zusammenhänge sowie die Statistik erläutert. Sein Fazit: Deutschland und gerade der ländliche Raum in Bayern ist so ziemlich der sicherste Fleck auf Erden. Der Großteil der Kriminalität ist Bagatellkriminalität, die Aufklärungsquote mit über 50 % sehr gut, Kapitalverbrechen werden fast vollständig aufgeklärt. Dennoch haben weite Teile der Bevölkerung, je nach Bevölkerungsgruppe mehr oder weniger, permanent Angst, Opfer eines Verbrechens zu werden. Außerdem ist nach Hilgendorf der klassische Verbrecher männlich und zwischen 18 und 25 Jahren alt.
Herrschte zunächst frühgeschichtlich der Aspekt der Vergeltung und Rache vor, niedergelegt im biblischen Talionsprinzip, so entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte bis hin zur fortschreitenden Aufklärung eine differenzierte Betrachtung von Tat, Täter und seiner Beziehung zu Opfer und Gesellschaft. Strafe für ein sanktionswürdiges Verhalten sollte generalpräventiv wirken, also die Gesellschaft insgesamt durch die Bestrafung des einzelnen abschrecken. Im Gegensatz hierzu dient die spezialpräventive Theorie der Strafe dazu, den Täter durch die Strafe selbst von einer erneuten Straffälligkeit abzuhalten. All diese Theorien hatten in der Geschichte ihre Zeit und werden heute, insbesondere nach den 1970er Jahren in Deutschland, gemischt und mit dem Fokus auf den Täter verstanden. Die Strafe muss der Schuld angemessen, der Täter muss jedoch möglichst die Chance einer Resozialisierung haben. Deshalb, so Hilgendorf, müsse man den Sinn einer Strafe für ein Verbrechen immer am Einzelfall und vor allem pragmatisch beurteilen.
Im Rahmen der regen Diskussion wurde durchaus kritisch hinterfragt, ob beispielsweise Steuersünder eine Amnestie erwarten dürfen, ob nicht auch Prangerstrafen und Fahrerlaubnisentzug angebracht wären oder ob im Falle von sexuellem Mißbrauch die Verjährungsfristen geändert werden müssten.
Ein gelungener Vortragsabend der Simon Höchheimer Gesellschaft Veitshöchheim endete spät. Der Vorsitzende Rudolf Gabler bedankte sich recht herzlich beim Referenten und entließ den Veitshöchheimer Bürger mit einem Veitshöchheimer Sonnenschein nach Hause.